Dienstag, 13. Februar 2007

Auswahl und Prüfung von Anlageprodukten

Ein Anlageberater schuldet dem Anleger eine sorgfältige Beurteilung der Kapitalanlage nach bestem Wissen und Gewissen auf der Grundlage des erforderlichen Tatsachenwissens und der entsprechenden Fachkompetenz. Er muss den Anleger nach ständiger Rechtsprechung nicht nur anleger-, sondern auch objektgerecht aufklären und beraten (grundlegend hierzu das sog. „Bond-Urteil“ des Bundesgerichtshofes vom 6. Juli 1993, Az. XI ZR 12/93).

Für eine objektgerechte Anlageempfehlung muss der Anleger auf die besonderen Risiken des Produkts hingewiesen werden. Der Anlageberater muss dazu in einem ersten Schritt beurteilen, ob das Produkt grundsätzlich als Anlageprodukt sinnvoll ist (Plausibilitätsprüfung hinsichtlich des Anlagekonzepts, Recherchen bezüglich Produkt und Produktgeber etc.). In einem zweiten Schritt muss der Berater prüfen, ob das Produkt insbesondere aufgrund der besonderen Risiken und Eigenheiten (Fungibilität, Laufzeit, steuerliche Besonderheiten etc.) für den individuellen Kunden geeignet ist. Ein grundsätzlich sinnvolles Produkt (etwa ein „Steuersparmodell“) kann für den betreffenden Kunden ungeeignet sein (wenn etwa gar kein ausreichender steuerlicher Bedarf besteht oder dieser bereits abgedeckt ist).

Zwar ist der Standard an die Aufklärungs- und Beratungspflichten eines Anlageberaters grundsätzlich höher anzusetzen als bei einem Vermittler. Im Kernbereich, wie etwa bei den Nachforschungspflichten und der Plausibilitätsprüfung, stellt die Rechtsprechung jedoch einen gleichartigen und im Wesentlichen gleich weit reichenden Pflichtenkanon auf. Die Möglichkeiten einer Haftungsvermeidung sollte daher nicht nur der Berater, sondern auch ein „bloßer“ Vermittler sehr ernst nehmen (unabhängig von der Frage, dass ein Vermittler sehr schnell als Berater einzustufen ist, etwa wenn er konkrete Berechnungsbeispiele erstellt).

Um beurteilen zu können, ob ein bestimmtes Produkt als Kapitalanlage sinnvoll ist, muss es vom Anlageberater auf seine Seriosität und die wirtschaftliche Plausibilität hin überprüft werden. Denn ohne zutreffende Angaben über die hierfür maßgeblichen Umstände kann der Anlageinteressent sein Engagement nicht zuverlässig beurteilen und keine sachgerechte Anlageentscheidung treffen. Dies gilt im besonderen Maße für Anleger, denen es auf die Sicherheit der Anlage ankommt (etwa bei dem Anlageziel Altersvorsorge).

Liegen dazu keine objektive Daten vor oder verfügt der Anlageberater mangels Einholung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, so muss er dies nach Auffassung der Rechtsprechung zumindest offen legen (Offenbarungspflicht). Fehlende Nachforschungen darf der Berater dem Anlageinteressenten daher nicht verschweigen. Auch fehlende Sachkunde muss der Anlageberater offen- legen. Angaben „in´s Blaue hinein“ stellen eine erhebliche Haftungsgefahr dar und können ggf. sogar eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) begründen (so etwa bei massiven Warnungen vor einem bestimmten Anlageprodukt oder bei von vorneherein nicht existierenden bzw. nicht funktionierenden Anlagekonzepten).

Die Rechtsprechung stellt relativ hohe Anforderungen an die Plausibilitätsprüfung. Zwar enthalten Emissionsprospekte in vielen Fällen die wesentlichen entscheidungserheblichen Erläuterungen und Hinweise zum Produkt. Um aber beurteilen zu können, ob gerade dies tatsächlich auch der Fall ist, darf der Berater sich insbesondere nicht ausschließlich auf die Veröffentlichungen der Anlagefirma verlassen. Der von der Firma herausgegebene Prospekt und sonstige Veröffentlichungen der Anlagefirma sind – für sich allein genommen - nach Auffassung der Rechtsprechung ohne objektiven Aussagewert. Verlässt sich ein Berater oder Vermittler ausschließlich auf den Prospekt und macht sich dessen Aussagen gegenüber dem Anleger zu eigen, vergrößert er seine Haftung deutlich, da er dann auch der Prospekthaftung im weiteren Sinn unterliegt. Es müssen daher in der Regel weitere Informationsquellen genutzt werden.

Entgegen der Erwartungshaltung vieler Anlagevermittler können ein Prüfbericht oder Bestätigungsvermerk eines Wirtschaftsprüfers eine eigene Plausibilitätsprüfung nicht ersetzen. Eine bloße Prüfung des Zahlungsverkehrs durch einen Wirtschaftsprüfer gibt für die nachhaltige wirtschaftliche Tragfähigkeit des Anlagekonzepts wenig her. Auch ein Bericht eines Rechtsanwalts und Notars über die (angebliche) „Kapitalsicherheit“ besagt nichts darüber, ob die erwartete hohe Rendite auch realistisch ist. Gerade bei sehr hohen Renditeversprechungen muss das Anlagekonzept auf seine Tragfähigkeit hin überprüft werden. Selbst die Mitwirkung eines Rechtsanwalts oder Notars als Treuhänder bietet keine Gewähr für die Wirtschaftlichkeit des Anlagekonzepts. Dies hat sich in der Vergangenheit vielfach als Scheinsicherheit herausgestellt.

Verfügt der Berater über keine fundierte betriebswirtschaftliche, rechtliche und steuerrechtliche Ausbildung bzw. entsprechendes Fachwissen, dürfte die Beurteilung für ihn angesichts des von der Rechtsprechung verlangten hohen Standards sehr schwierig sein.

Besondere Haftungsrisiken ergeben sich für einen Anlageberater bei der Vermittlung von Produkten des sog. „grauen Kapitalmarktes“ (d. h. bezüglich staatlich nicht bzw. unzureichend überwachter Anlageprodukte). Jüngste Urteile, in denen Berater zum Schadensersatz verurteilt wurden, betrafen daher auch die Empfehlung zur Beteiligung an geschlossenen Immobilienfonds und zu Unternehmensbeteiligung (atypisch stille Beteiligungen, KG-Beteiligungssparpläne etc.). Bei Anlageprodukten des „grauen Kapitalmarktes“ müssen Anlageberater nach ständiger Rechtsprechung die einschlägigen Informationsdienste auswerten. Negative Berichte sind dem Anleger entweder mitzuteilen oder der Berater muss ausdrücklich darauf hinweisen, dass er dazu keine Recherchen vorgenommen hat und er daher eine verbindliche Aussage hierzu nicht machen kann.

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