Schwarzbuch Börse 2023: Schlimmer geht immer
In der Folge des Wirecard Skandals wurde intensiv über das
Versagen von Behörden und Politik diskutiert, Strukturen bei der
Finanzmarktaufsicht wurden angepasst. Aber hat sich die Situation
dadurch tatsächlich verbessert? Im Schwarzbuch Börse 2023 enthüllen wir
mehrfach, dass die Behörden scheinbar weiterhin wenig Interesse an der Aufklärung von Finanzskandalen haben.
Im Fokus des diesjährigen Schwarzbuch Börse stehen (leider erneut)
die Entwicklungen am Markt für sogenannte Mittelstandsanleihen.
Zahlreiche Beispiele zeigen, wie Anleger in dieser Anlageklasse von
Unternehmenslenkern mit fragwürdigen Geschäftsmodellen über den Tisch
gezogen werden. Die Ursachen hierfür liegen zum einen im schlecht
gestalteten Schuldverschreibungsgesetz und zum anderen in tatenlosen
Behörden, denen oft das Wissen und Verständnis für wirtschaftliche
Vorgänge zu fehlen scheint.
Fiskus verzichtet auf Steuerforderung und verhindert somit Aufklärung
Besonders „bemerkenswert“ in diesem Zusammenhang war das Verhalten
der Mitarbeiter des Kassen- und Steueramts der Stadt Frankfurt. Aufgrund
ihres nicht vorhandenen Bilanz- und Börsenwissens und ihrer Ignoranz
gegenüber entsprechenden Experten haben sie im Fall der Haikui Seafood
AG sehenden Auges auf das Eintreiben von Steuerforderungen in Höhe von
rund 900.000 Euro verzichtet und so eine mögliche Aufklärung eines
Börsenskandals verhindert. Einen Insolvenzantrag über das Vermögen der
Gesellschaft zu stellen, scheint der Behörde zu viel Aufwand gewesen zu
sein. Den Fall zu den Akten ins Archiv legen war hingegen offenbar der
bequemere Weg.
Neues Schreckgespennst für Anleger: StaRuG
Ein weiteres Schwerpunktthema ist das StaRUG, ein neues
Schreckgespenst für Anleger, von der EU vorgegeben und vom Gesetzgeber
geschaffen. Das sogenannte Unternehmensstabilisierungs- und
Restrukturierungsgesetz hat 2023 erstmals in großem Stil Anwendung bei
börsennotierten Unternehmen gefunden. Die Fälle LEONI in Deutschland und
Steinhoff in den Niederlanden zeigen das hohe Missbrauchspotenzial
dieser neuen Restrukturierungsgesetzgebung in Europa. Für Privatanleger
birgt sie nur Risiken, während die Vorteile für Arbeitnehmer, Kunden und
Lieferanten nicht ersichtlich sind, da bereits zuvor – gesetzlich
geregelt – umfangreiche Restrukturierungsmöglichkeiten bestanden.
Virtuelle Hauptversammlung: Holpriger Start
Die virtuelle Hauptversammlung, die seit 2023 dauerhaft in
Unternehmenssatzungen verankert werden kann, ist erneut Thema im
Schwarzbuch. Kritik an der Einschränkung der Aktionärsrechte und
zahlreiche Beschwerden von Anlegern über technische Probleme bei
virtuellen Aktionärstreffen prägten in diesem Jahr die Diskussion.
Wirecard: Aufarbeitung geht langsam voran
Selbstverständlich darf auch Wirecard im Schwarzbuch Börse nicht
fehlen. Wir fassen den bisherigen Prozessverlauf vor der Strafkammer des
Landgerichts München zusammen. Leider wurde der größte Börsenskandal in
der Geschichte der Bundesrepublik bisher kaum aufgearbeitet. Die
Verteidigung des ehemaligen CEOs Braun versucht unserer Wahrnehmung nach
mit einer Vielzahl an Beweisanträgen und tonnenweise Unterlagen die
angebliche Unschuld ihres Mandanten zu beweisen, ohne dass dadurch
unserer Meinung nach der Unschuldsbeweis gelingen kann und Licht ins
dubiose Dunkel kommt. Dass das Drittpartnergeschäft tatsächlich
existierte, dafür fehlt bisher jeglicher Nachweis.
Des Weiteren beschäftigen wir uns im Schwarzbuch Börse 2023 mit folgenden Themen:
- Alarmstufe ADR: Politik lässt Anleger im Stich
- Siemens Energy: Windkraft-Desaster
- Credit Suisse: to fail or not to fail
- Aurelius: Schaurige Familienbande
- ABO Wind: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!
- The Social Chain: Anleger in der Löwengrube
Mitglieder der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. können das Schwarzbuch ab sofort unter https://sdk.org/veroeffentlichungen/schwarzbuch-boerse/
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München, den 22. Dezember 2023
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