Mittwoch, 29. Oktober 2014

Bundesgerichtshof: Prospekthinweis auf steuerliche Risiken

Leitsatz:

Ein Prospekt hat sachlich richtig und vollständig über die Risiken der steuerlichen Anerkennungsfähigkeit des konkreten Anlagemodells aufzuklären, mit deren Verwirklichung ernsthaft zu rechnen ist oder die jedenfalls nicht nur ganz entfernt liegen. Es besteht aber keine allgemeine Pflicht darauf hinzuweisen, dass die Konzeption eines Fonds in steuerlicher Hinsicht "neu" ist und von der Finanzverwaltung bislang nicht abschließend überprüft bzw. in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt ist.

BGH, Beschluss vom 29. Juli 2014, Az. II ZB 30/12

Bundesgerichtshof entscheidet über den Verjährungsbeginn für Rückforderungsansprüche von Kreditnehmern bei unwirksam formularmäßig vereinbarten Darlehensbearbeitungsentgelten in Verbraucherkreditverträgen

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in zwei Entscheidungen erstmals über die Frage des Verjährungsbeginns für Rückforderungsansprüche von Kreditnehmern bei unwirksam formularmäßig vereinbarten Darlehensbearbeitungsentgelten befunden. Danach begann die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB* i. V. m. § 199 Abs. 1 BGB** für früher entstandene Rückforderungsansprüche erst mit dem Schluss des Jahres 2011 zu laufen, weil Darlehensnehmern die Erhebung einer entsprechenden Rückforderungsklage nicht vor dem Jahre 2011 zumutbar war.

In den beiden Verfahren begehren die Kläger von den jeweils beklagten Banken die Rückzahlung von Bearbeitungsentgelten, die die Beklagten im Rahmen von Verbraucherdarlehensverträgen formularmäßig berechnet haben.

Im Verfahren XI ZR 348/13 schloss der dortige Kläger mit der dortigen Beklagten im Dezember 2006 einen Darlehensvertrag über 7.164,72 € ab. Die Beklagte berechnete eine "Bearbeitungsgebühr inkl. Auszahlungs- und Bereitstellungsentgelt" von 189,20 €. Im Oktober 2008 schlossen die Parteien einen weiteren Darlehensvertrag über 59.526,72 € ab. Die Beklagte berechnete wiederum eine "Bearbeitungsgebühr inkl. Auszahlungs- und Bereitstellungsentgelt", die sich in diesem Falle auf 1.547,10 € belief. Im Juni/Juli 2011 wurde ein dritter Darlehensvertrag über 12.353,04 € geschlossen, wobei die Beklagte eine 3,5 %ige "Bearbeitungsgebühr" in Höhe von 343 € berechnete. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung dieser Bearbeitungsentgelte. Mit seiner im Dezember 2012 bei Gericht eingereichten Klage hat er ursprünglich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von insgesamt 2.079,30 € erstrebt. Die Beklagte hat die Klageforderung in Höhe eines Teilbetrages von 1.015,96 € - darin enthalten das Bearbeitungsentgelt für das im Jahre 2011 gewährte Darlehen sowie ein Teil des Bearbeitungsentgelts für das im Jahr 2008 aufgenommene Darlehen - anerkannt; im Übrigen erhebt sie die Einrede der Verjährung. Wegen des von der Beklagten nicht anerkannten Restbetrags der Klageforderung ist die Klage in den Vorinstanzen, die vom Verjährungseintritt ausgegangen sind, erfolglos geblieben.

Im Verfahren XI ZR 17/14 schloss der dortige Kläger mit der dortigen Beklagten im Februar 2008 einen Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nettokreditbetrag von 18.500 € ab. Die Beklagte berechnete ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 555 €, das der Kläger mit seiner im Jahre 2013 erhobenen Klage zurückfordert; die Beklagte erhebt ebenfalls die Verjährungseinrede. Die Rückforderungsklage war hier in beiden Vorinstanzen erfolgreich.

 Der XI. Zivilsenat hat im Verfahren XI ZR 348/13 auf die Revision des klagenden Kreditnehmers das Berufungsurteil aufgehoben und die beklagte Bank zur Zahlung auch des von ihr nicht anerkannten Restbetrags der Klageforderung verurteilt. Im Verfahren XI ZR 17/14 ist die Revision der dort beklagten Bank erfolglos geblieben.

In beiden Rechtsstreiten sind die Berufungsgerichte im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die jeweilige Beklagte die streitigen Bearbeitungsentgelte durch Leistung der Klagepartei ohne rechtlichen Grund erlangt hat, § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB***. Die Vereinbarung von Bearbeitungsentgelten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verbraucherkreditverträge ist, wie der XI. Zivilsenat mit seinen beiden Urteilen vom 13. Mai 2014 entschieden hat, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB**** unwirksam (vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 80/2014). Diese Rechtsprechung gilt auch für die hier streitgegenständlichen Entgeltregelungen.

Die Rückzahlungsansprüche beider Kläger sind zudem nicht verjährt; die gegenteilige Annahme der Vorinstanzen in der Sache XI ZR 348/13 ist unzutreffend. Bereicherungsansprüche verjähren nach § 195 BGB grundsätzlich in drei Jahren. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Nicht erforderlich ist hingegen in der Regel, dass er aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann aber die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht in einem für die Klageerhebung ausreichenden Maße einzuschätzen vermag. Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht. In einem solchen Fall fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Angesichts des Umstands, dass Bearbeitungsentgelte in "banküblicher Höhe" von zuletzt bis zu 2 % von der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebilligt worden waren, war Darlehensnehmern vorliegend die Erhebung einer Rückforderungsklage erst zumutbar, nachdem sich im Laufe des Jahres 2011 eine gefestigte oberlandesgerichtliche Rechtsprechung herausgebildet hatte, die Bearbeitungsentgelte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen beim Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen missbilligte. Seither musste ein rechtskundiger Dritter billigerweise damit rechnen, dass Banken die erfolgreiche Berufung auf die ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs künftig versagt werden würde.

Ausgehend hiervon sind derzeit nur solche Rückforderungsansprüche verjährt, die vor dem Jahr 2004 oder im Jahr 2004 vor mehr als 10 Jahren entstanden sind, sofern innerhalb der absoluten - kenntnisunabhängigen - 10jährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB vom Kreditnehmer keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergriffen worden sind.

Urteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13
AG Mönchengladbach - Urteil vom 21. März 2013 - 3 C 600/12
LG Mönchengladbach - Urteil vom 4. September 2013 - 2 S 48/13

und

Urteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 17/14
AG Stuttgart - Urteil vom 24. Juli 2013 - 13 C 2949/13  
LG Stuttgart - Urteil vom 18. Dezember 2013 - 13 S 127/13

Karlsruhe, den 28. Oktober 2014

* § 195 BGB
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. 

** § 199 BGB 
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem 
1. der Anspruch entstanden ist und 
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. 
(2) …
(3) ...
(3a) …
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) ...

*** § 812 BGB
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. …
(2) …

**** § 307 BGB
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. ... 
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung 
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist … 

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Dienstag, 21. Oktober 2014

Anlagebetrugsfirma Ko Sin Corporation Limited nicht mehr erreichbar

von Rechtsanwalt Martin Arendts, ARENDTS ANWÄLTE

Die sich unzutreffend als "Broker" bezeichnende Anlagebetrugsfirma Ko Sin Corporation Limited aus Hongkong, vor der wir mehrfach gewarnt hatten, siehe http://anlegerschutz.blogspot.de/2013/07/neu-gegrundeter-broker-ko-sin-versucht.html und http://anlegerschutz.blogspot.de/2014/04/achtung-anlagebetrusgfirma-ko-sin.html, hat ihre Tätigkeit eingestellt. Sie ist laut einem geschädigten Anleger, der noch immer auf seine Alibaba-Aktien wartet, telefonisch nicht mehr erreichbar. Die nett gestaltete Webseite http://kosin.net ist derzeit aber noch abzurufen.

Es handelt es sich um einen klassischen Anlagebetrugsfall. Die Firma Ko Sin Corporation Limited, offensichtlich eine sog. "Briefkastenfirma", war neu gegründet und nicht als Finanzdienstleistungsunternehmen zugelassen.

Samstag, 18. Oktober 2014

SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e. V.: Positive Urteile in Sachen Hypo Real Estate International AG und Deutschen Pfandbriefbank AG

Ehemalige Genussrechtsinhaber bekommen zumTeil immense Nachbesserungen zugesprochen

München - Im Zuge des wirtschaftlichen Niedergangs der Hypo Real Estate Gruppe und der Verstaatlichung der Hypo Real Estate Holding AG wurden auch mehrere Genussrechtsinhaber von Tochtergesellschaften der Hypo Real Estate Holding AG zu finanziellen Zugeständnissen gezwungen, indem Zinszahlungen nicht erfolgten und die Genussrechte nicht voll zurückerstattet wurden. Oft erfolgte dies zu Unrecht, wie das Landgericht München nun in einer Klage eines SdK-Mitglieds entschied.
 
Das Landgericht München I hat sich in zwei Urteilen vom 31.07.2014 (Az. 5 HK O 24890/12 und 5 HK O 27989/12) mit mehreren Genussscheinen der Deutschen Pfandbriefbank AG beschäftigt und kam zum Ergebnis, dass die durch das Kreditinstitut erfolgte Berechnung der Rückzahlungsansprüche der Genussscheininhaber in mehrfacher Hinsicht falsch war.
 
Hinsichtlich der Genussscheine der ehemaligen Württembergischen Hypothekenbank AG (WKN 546325), die zwischenzeitlich als Hypo Real Estate International AG firmierte, bevor sie auf die Deutsche Pfandbriefbank AG verschmolzen wurde, kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass statt der im Juli 2013 zurückgezahlten ca. 2,72 % Nennwerts eine Rückzahlung zu 100 % des Nennwerts hätte erfolgen müssen. Zudem seien noch mehrere ausgefallene Kupons in Höhe von 7% p.a. an die Anleger nachzuzahlen.
 
Ebenfalls eine Rückzahlung zu 100 % des Nennwerts sowie die Nachzahlung von mehreren ausgefallenen Kupons in Höhe von 7 % p.a. ordnete das Gericht in seinem Urteil für die ebenso von der ehemaligen Württembergischen Hypothekenbank AG emittierten Genussscheine mit der WKN 812404 an, die im Juni 2012 zu ca. 13,04 % zurückgezahlt wurden.
 
Auch bei einem weiteren Genussschein der Deutschen Pfandbriefbank AG, der von der ehemaligen Nürnberger Hypothekenbank (WKN 808404) emittiert wurde, kam das Gericht zum Ergebnis, dass statt der im Juni 2010 erfolgten Rückzahlung zu 17,54 % des Nennwerts eine Rückzahlung zu 22,53 % des Nennwerts hätte erfolgen müssen.