Der u. a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat über die Wirksamkeit von
Versicherungsbedingungen u.a. betreffend die Rückkaufswerte, den
Stornoabzug sowie die Verrechnung von Abschlusskosten (so genannte
Zillmerung) entschieden. Betroffen sind Klauseln in Allgemeinen
Versicherungsbedingungen für eine kapitalbildende Lebensversicherung,
eine aufgeschobene und eine fondsgebundene Rentenversicherung für den
Fall der Kündigung sowie der Umwandlung in eine beitragsfreie
Versicherung.
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverein. Die Beklagte
ist eine deutsche Lebensversicherungs-AG. Die Parteien streiten über die
Wirksamkeit der Bestimmungen der genannten Art, die die Beklagte
jedenfalls zeitweise im Zeitraum 2001 bis Ende 2006 verwendete. Der
Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung der
angegriffenen Klauseln sowohl beim Abschluss neuer Versicherungsverträge
als auch bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge in Anspruch.
Die Klage hat in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg gehabt. Das
Berufungsgericht hat die angegriffenen Klauseln im Wesentlichen für
intransparent und damit unwirksam erachtet. Es hat aber die Klage
abgewiesen, soweit der Kläger sich gegen die Verurteilung bezüglich der
Verwendung der Klauseln für Neuabschlüsse ab 1. Januar 2008 wendet.
Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt, soweit zu ihrem
Nachteil erkannt wurde.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten im Wesentlichen
zurückgewiesen, derjenigen des Klägers dagegen stattgegeben. Der Senat
hat entschieden, dass Bedingungen, nach welchen die Abschlusskosten, bei
denen es sich zu einem erheblichen Teil um Vermittlungsprovisionen
handelt, mit den ersten Beiträgen verrechnet werden, eine unangemessene
Benachteiligung des Versicherungsnehmers darstellen und deshalb
unwirksam sind. Die Zillmerung führt dazu, dass Versicherungsnehmer, die
ihren Vertrag bereits nach wenigen Jahren und vor Ablauf der
vereinbarten Laufzeit kündigen, nur einen geringen oder gegebenenfalls
gar keinen Rückkaufswert erhalten. Der Senat hat insoweit seine
bisherige Rechtsprechung in den Urteilen vom 9. Mai 2001 (IV ZR 121/00
und 138/99) und vom 12. Oktober 2005 (IV ZR 162/03 und 177/03) unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im
Beschluss vom 15. Februar 2006 (1 BvR 1317/96) weiterentwickelt.
Wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot hat der Senat ferner Klauseln
für unwirksam erklärt, die nicht hinreichend deutlich zwischen dem im
Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung nach den anerkannten Regeln
der Versicherungsmathematik zu berechnenden Rückkaufswert (§ 176 Abs. 3
VVG a.F.) einerseits und andererseits dem so genannten Stornoabzug, der
vereinbart und angemessen sein muss (§ 176 Abs. 4 VVG a.F.)
differenzieren.
Wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers sind
ferner Bestimmungen unwirksam, die vorsehen, dass dem
Versicherungsnehmer nach allen Abzügen verbleibende Beträge unter 10 €
nicht erstattet werden.
Schließlich hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der beklagte
Versicherer sich nicht nur bei der Abwicklung bestehender Verträge,
sondern auch bei deren Neuabschluss nicht auf die für unwirksam
erklärten Klauseln berufen darf.
___
§ 307 BGB
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn
sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und
Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung
kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und
verständlich ist.
Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine
Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von
der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte
oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so
einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
…
§ 176 VVG in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung
…
Der Rückkaufswert ist nach den anerkannten Regeln der
Versicherungsmathematik für den Schluß der laufenden
Versicherungsperiode als Zeitwert der Versicherung zu berechnen.
Prämienrückstände werden vom Rückkaufswert abgesetzt.
Der Versicherer ist zu einem Abzug nur berechtigt, wenn er vereinbart und angemessen ist.
Urteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10
LG Hamburg - Urteil vom 20. November 2009 - 324 O 1116/07
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg - Urteil vom 27. Juli 2010 - 9 U 236/09
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
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