Freitag, 16. Februar 2007

OLG Stuttgart: DaimlerChrysler hat Öffentlichkeit rechtzeitig über das Ausscheiden ihres Ex-Vorstandsvorsitzenden informiert

Die DaimlerChrysler AG hat im bundesweit ersten Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) vor dem Oberlandesgericht Stuttgart einen Etappensieg errungen. Die Musterkläger hatten geltend gemacht, zu spät über das Ausscheiden des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Autobauers, Jürgen Schrempp, informiert worden zu sein und deswegen ihre Aktien nicht rechtzeitig verkauft haben zu können. Dem ist der Neunte Zivilsenat des OLG jetzt entgegengetreten: Die DaimlerChrysler AG habe die Öffentlichkeit mit ihrer Mitteilung am 28.07.2005 rechtzeitig über den Personalwechsel informiert (Entscheidung vom 15.02.2007, Az.: 901 Kap 1/06).

Insiderinformation erst mit Beschlussfassung durch Aufsichtsrat

Nach Auffassung des Senats lag eine zu veröffentlichende Insiderinformation gemäß § 37b Abs. 1 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz) erst mit der entsprechenden Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat vor. Vor der Beschlussfassung des Aufsichtsrats sei die DaimlerChrysler AG nicht verpflichtet gewesen, die Öffentlichkeit im Wege der Ad-hoc-Mitteilung darüber zu informieren, dass Gespräche über ein vorzeitiges Ausscheiden Schrempps stattgefunden hatten.

Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität nur bei Insiderinformation

Die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität setze eine Insiderinformation voraus. Dies sei eine konkrete Information über gegenwärtige oder zukünftig hinreichend wahrscheinliche Umstände (§ 13 Abs. 1 WpHG). Eine konkrete Information könnte nach Angaben des OLG zwar am 18.07.2005 vorgelegen haben. Das sei der Zeitpunkt gewesen, zu dem sich Schrempp und der Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper in Anwesenheit des Kommunikationsberaters der DaimlerChrysler AG Schick, darauf verständigt hätten, das vorzeitige Ausscheiden sowie die Nachfolge durch Dieter Zetsche zum Ende 2005 in der Aufsichtsratssitzung vom 28.07.2005 vorzuschlagen.

Ausscheiden Schrempps erst mit Beschlussfassung des Aufsichtsrats hinreichend wahrscheinlich

Hinreichend wahrscheinlich sei das Ausscheiden von Schrempp als Eintritt eines künftigen Ereignisses im Sinne von § 13 WpHG aber erst mit der Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat am 28.07.2005 gewesen. Zukunftsbezogene Informationen kämen nämlich nur dann als Insiderinformationen in Betracht, wenn eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit für den fraglichen Umstand oder das fragliche Ereignis angenommen werden könne. Für den Beschluss des Aufsichtsrats als hier alleine zuständiges Gremium sei im ersten Wahlgang eine qualifizierte Zwei-Drittel-Mehrheit des paritätisch von Vertretern der Kapitaleigner und Arbeitnehmer besetzten 20-köpfigen Aufsichtsrats notwendig gewesen.

Auswahl zwischen zwei Nachfolgekandidaten

Da neben Zetsche als weiterer ernsthaft möglicher Nachfolgekandidat Eckhard Cordes in Betracht gekommen sei, habe der Aufsichtsrat ohne Vorbereitung eine Auswahlentscheidung zwischen zwei Kandidaten zu treffen gehabt. Der nach dem Sachvortrag gegebene Ablauf der Gespräche im Vorfeld lasse nicht auf eine Vorabstimmung schließen. Zudem hätte der Widerspruch eines einzigen Mitglieds des Aufsichtsrats zur Folge gehabt, dass eine Beschlussfassung zu diesem nicht auf der Tagesordnung enthaltenen Gegenstand nicht zuzulassen gewesen wäre, so das OLG.

Zahlreiche weitere Verfahren anhängig

Damit blieb der bundesweit ersten Musterklage von Kapitalanlegern der Erfolg versagt. Während eines Musterverfahrens ruhen sämtliche Prozesse an anderen Gerichten, die sich mit dem Fall befassen. Derzeit sind in der Sache beim Landgericht Stuttgart rund 60 Verfahren mit etwa 100 Klägern anhängig. Der Streitwert soll sich auf rund 6,5 Millionen Euro belaufen. Die Musterkläger haben bereits angekündigt, gegen die OLG-Entscheidung Rechtsbeschwerde einlegen zu wollen.

Quelle: beck-aktuell

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