Freitag, 18. August 2017

Bundesgerichtshof zur Haftung für Vertriebsmitarbeiter bei Beitrittsverhandlungen

BGH, Urteil vom 4. Juli 2017, Az. II ZR 358/16

Leitsatz:

Der Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Vertriebs bedient und diesem oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, haftet über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen, unabhängig davon, ob der Beitritt zur Gesellschaft unmittelbar oder nur mittelbar erfolgt (Anschluss BGH, Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12 , ZIP 2013, 1616 Rn. 37 mwN; Urteil vom 14. Mai 2012 - II ZR 69/12 , ZIP 2012, 1289 Rn. 11 mwN).

Dienstag, 1. August 2017

Klage gegen Aachener Bausparkasse eingereicht: Der vzbv geht wegen Kündigungen von Bausparverträgen vor Gericht

Stuttgart/Berlin, 1. August 2017. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat Klage gegen die Aachener Bausparkasse AG eingereicht. Nach Auffassung der Marktwächterexperten ist die Kündigung von Bausparverträgen unter Bezug auf die Paragrafen 313 und 314 BGB unzulässig: Die für eine solche Kündigung erforderliche Störung der Geschäftsgrundlage oder der wichtige Kündigungsgrund liegen nicht vor. Die Verbraucherschützer wurden durch auffällige Beschwerden im Frühwarnnetzwerk des Marktwächters auf das Vorgehen des Anbieters aufmerksam.

„Bausparkassen müssen ihre abgeschlossenen Verträge erfüllen, auch wenn diese aufgrund gesunkener Zinsen unrentabel geworden sind“, sagt Philipp von Bremen, Teamleiter Marktwächter Finanzen bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Ein Recht, in laufende Bausparverträge einzugreifen, hat nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“, erläutert von Bremen.

Nach Marktwächtererkenntnissen versuchen etliche Bausparkassen sich seit Jahren beispielsweise durch Tarifwechselangebote oder Kündigungen von aus heutiger Sicht gutverzinsten Verträgen zu lösen. Zum Teil verweigern sie Verbrauchern nach Aussprache der Kündigung auch den Anspruch auf einen (Zins-)Bonus oder eine Treueprämie.

Anbieter setzt Verbraucher auch moralisch unter Druck

Die Vorgehensweise der Aachener Bausparkasse ist dabei bislang einzigartig und besonders auffällig: Zunächst stellte sie ihre Kunden vor die Wahl, entweder ein Tarifwechselangebot mit deutlich geringerer Verzinsung anzunehmen oder sich den Bausparvertrag auszahlen zu lassen. Für den Fall, dass nach einer Frist keines von beiden geschehe, wurde die nachfolgende Kündigung des Bausparvertrags angedroht und dann auch vollzogen. Gleichzeitig setzte die Aachener Bausparkasse ihre Kunden moralisch unter Druck. So heißt es in den Schreiben: „Verhalten sich die Inhaber hoch verzinslicher, mit den aktuellen finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr zu vereinbarender Bausparverträge nicht dementsprechend, so schädigt dies nicht nur die Bausparkasse, sondern auch die gesamte Bausparergemeinschaft.“

„Anstatt für das eigene Leistungsversprechen einzustehen, übt die Aachener Bausparkasse moralischen Druck auf ihre Kunden aus. Das ist unzulässig. Zudem ist die Aussage falsch. Wenn der Kunde an seinem hochverzinsten Bausparvertrag festhält, hat das keine Auswirkungen auf andere Bausparer, sondern nur auf die Gewinnsituation der Bausparkasse“, so von Bremen.

Bausparkasse gab keine Unterlassungserklärung ab

Zunächst hatten die Marktwächterexperten die Aachener Bausparkasse im vergangenen Mai abgemahnt. Die Bausparkasse gab jedoch die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab und hält ihre Kündigungen für rechtens. „Die strittige Rechtsfrage wollen wir nun verbindlich auf dem Weg einer Verbandsklage klären lassen, auch um Kunden anderer Bausparkassen vor dem kritisierten Anbieterverhalten frühzeitig zu schützen“, so von Bremen.

Eine erfolgreiche Verbandsklage würde die Aachener Bausparkasse verpflichten, künftig Kündigungen auf Grundlage der §§ 313 und 314 zu unterlassen und den Anbieter verpflichten betroffene Verbraucher über die Unzulässigkeit erfolgter Kündigungen zu informieren.

Über den Marktwächter Finanzen:
Der Marktwächter Finanzen ist ein Projekt, mit dem der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Verbraucherzentralen den Finanzmarkt aus Perspektive der Verbraucher beobachten. Hierfür werden Beschwerden und Beratungen von Verbrauchern aus allen 16 deutschen Verbraucherzentralen über ein Frühwarnnetzwerk systematisch ausgewertet. Zudem werden empirische Untersuchungen durchgeführt. So können Schwachstellen und Fehlentwicklungen erkannt, Verbraucher frühzeitig gewarnt und Aufsichts- und Regulierungsbehörden bei ihrer Arbeit unterstützt werden. Insgesamt untersuchen fünf Schwerpunkt-Verbraucherzentralen den Finanzmarkt: Baden-Württemberg (Geldanlage und Altersvorsorge), Bremen (Immobilienfinanzierung), Hamburg (Versicherungen), Hessen (Grauer Kapitalmarkt) und Sachsen (Bankdienstleistungen und Konsumentenkredite). Der Marktwächter Finanzen wird durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gefördert. www.marktwaechter.de/finanzen

Pressemeldung Marktwächter Finanzen/Verbraucherzentrale Baden-Württemberg