Freitag, 17. August 2007

Bundesgerichtshof: Ordnungsgemäßer Prospekt kein Freibrief für abweichende Anpreisung der Anlage durch Vermittler

BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - III ZR 83/06

Leitsatz des Gerichts:

Werden die Chancen und Risiken einer Anlage im Prospekt hinreichend verdeutlicht, so ist dies kein Freibrief für den Vermittler, die Risiken abweichend hiervon darzustellen und die Anlage günstiger oder weniger risikoreich erscheinen zu lassen. Solche falschen Angaben können trotz der ausreichenden Risikoaufklärung im Prospekt einen Schadensersatzanspruch des Anlegers gegen die Anlagegesellschaft rechtfertigen.


Der Sachverhalt:

Die Klägerin beteiligte sich 1995 mit 50.000 DM an dem von der Beklagten vertriebenen geschlossenen Immobilienfonds und finanzierte den Beitritt mit einem Bankdarlehen. Der Beteiligung waren Gespräche mit dem im Auftrag der Beklagten tätigen Vermittler vorausgegangen. Dieser hatte der Klägerin die Anlage aus Steuerspargründen empfohlen und ihr Emissionsprospekte ausgehändigt, die die Chancen und Risken der Anlage unstreitig zutreffend dargestellt haben.

Während die Klägerin zunächst Ausschüttungen in Höhe von sieben Prozent jährlich erhalten hatte, konnten ab 1999 aufgrund der Insolvenz der Mieterin des Hauptobjekts des Fonds keine Ausschüttungen mehr vorgenommen werden. Die Klägerin verlangte daraufhin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe ihrer bisherigen Tilgungsleistungen auf das Bankdarlehen sowie die Freistellung von den Darlehensverbindlichkeiten Zug um Zug gegen Übertragung der Gesellschaftsanteile.

Die Klägerin begründete ihre Klage damit, dass der Vermittler eine jährliche Ausschüttung von sieben Prozent garantiert habe, die zusammen mit den zu erwartenden Steuervorteilen ausreiche, um die Kreditbelastung zu tragen. Der Vermittler habe außerdem darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Immobilienfonds um eine der sichersten Kapitalanlagen handele und der Fondsanteil nach einem Jahr ohne Verlust wieder veräußert werden könne.

LG und OLG wiesen die Klage ohne Beweiserhebung über die von der Klägerin behaupteten mündlichen Angaben des Vermittlers ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des OLG auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:

Das OLG hat zu Unrecht eine Beweisaufnahme über die von der Klägerin behaupteten Angaben des Vermittlers unterlassen. Wird dieser Vortrag als richtig unterstellt, so können Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nicht ausgeschlossen werden.

Einem Schadensersatzanspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass der von der Beklagten herausgegebene Prospekt die Chancen und Risiken der Anlage zutreffend und hinreichend deutlich dargestellt hat. Denn ein solcher ordnungsgemäßer Prospekt ist kein Freibrief für den Vermittler, die Risiken abweichend hiervon darzustellen und so die Hinweise im Prospekt zu entwerten oder für die Entscheidung des Anlegers zu mindern.

Ein solches Fehlverhalten des Vermittlers, das sich die Beklagte anrechnen lassen müsste, kommt vorliegend in Betracht. Die behauptete Aussage des Vermittlers über „garantierte" Ausschüttungen entsprach nicht den Prospektangaben. Auch der angebliche Hinweis, dass die Fondsanteile nach einem Jahr ohne Verlust wieder veräußert werden könnten, ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig, da Kommanditbeteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds in Ermangelung eines entsprechenden Marktes nur eingeschränkt veräußerbar sind.

Es kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Klägerin ohne diese vom Prospekt abweichenden Anpreisungen gegen die Beteiligung entschieden hätte.

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