Mit dem Konzept des Nießbrauchs kann Vermögen bereits zu
Lebzeiten an Kinder, Enkel oder Dritte übertragen werden, ohne die
Kontrolle abzugeben – das kann die Steuerlast der Erben entscheidend
mildern. Doch es gilt, einige Fallstricke zu beachten.
Vererbt
wird hierzulande bekanntlich viel. Laut einer Studie der Deutschen
Bank, die sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes beruft, wurden
bei den Finanzämtern im Jahr 2023 in Deutschland Erbschaften und
Schenkungen im Wert von 121,5 Milliarden Euro steuerlich veranlagt. Das
waren fast 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Neuere Zahlen liegen noch
nicht vor. Und der Wert aller Vermögensübertragungen war nach
Einschätzung der Deutschen Bank sogar noch deutlich höher, da die
Steuerstatistik Erbschaften und Schenkungen, die innerhalb der
Freibeträge liegen, nicht abbildet.
Doch nicht nur die Höhe,
sondern auch die Struktur der Erbschaften ändert sich der Studie
zufolge. So gewinnen neben Immobilien auch Gold und Wertpapiere
zunehmend an Bedeutung. Angesichts der enormen Summen, die künftig
vererbt werden, rät der Financial Planning Standards Board Deutschland
e.V. (FPSB Deutschland), sich um das Thema Estate Planning zu kümmern
und dabei professionelle Beratungsleistung in Anspruch zu nehmen. Estate
Planning ist der Fachbegriff, der die Beratung für den
Vermögensübergang zwischen den Generationen beschreibt.
Frühzeitiger Transfer kann Steuern reduzieren
"Gerade
bei größeren Vermögen macht ein frühzeitiger Transfer Sinn, weil die
damit verbundenen Freibeträge in der Erbschaft und bei der Schenkung
nach Ablauf der Frist von zehn Jahren erneut ausgeschöpft werden
können", empfiehlt FPSB-Vorstand Maximilian Kleyboldt, CFP®, der jedoch
hinzufügt: "Allerdings sollte der Vermögensinhaber bei der
Nachlassplanung nie aus rein steuerlichen Gesichtspunkten übereilte
Entscheidungen treffen."
Eine Möglichkeit, Vermögen frühzeitig,
also noch vor dem Tod, an die nächste Generation zu übertragen, ist das
Konzept des Nießbrauchs. Der große Vorteil: Hier behält der
Vermögensinhaber – zumindest teilweise – die Kontrolle über das vererbte
Vermögen. Etwa bei der Immobilie, die zwar an den oder die Erben
übertragen wird, wobei der Vererbende oder die Vererbenden jedoch ein
lebenslanges Wohn- und Nutzungsrecht an dem Haus oder der Wohnung
behält. Das heißt, der Nießbrauchnehmer hat dort das Wohnrecht oder den
Anspruch auf die Miete.
Nießbrauch auch bei Wertpapieren
Was
viele nicht wissen: Nießbrauch kann auch bei Wertpapieren eingesetzt
werden. Die Übertragung von Wertpapieren gegen die Einräumung eines
Nießbrauchs ist eine interessante Option für Anleger, die Vermögen an
die nächste Generation übergeben möchten, ohne auf laufende Erträge zu
verzichten. "Dieses Instrument bietet steuerliche Vorteile und kann
helfen, die Vermögensnachfolge zu gestalten", erläutert Kleyboldt,
zugleich Direktor Wealth Planning bei der Bethmann Bank.
Durch den
Vorbehalt des Nießbrauchs sollen drei Ziele erreicht werden, führt der
Experte aus. Erstens sollen die laufenden Erträge i.d.R. weiterhin zur
Versorgung des Schenkers zur Verfügung stehen. Zweitens möchte der
Schenker sich einen gewissen Einfluss auf die Vermögensanlage wahren.
Der Beschenkte kann das Geld nicht einfach ausgeben, sondern wird
sukzessive an die mit dem Kapital einhergehende Verantwortung
herangeführt. Und drittens soll durch den Barwert des Nießbrauchs die
schenkungssteuerliche Bemessungsgrundlage gemindert werden.
Umgangssprachlich
spricht man von "Depotnießbrauch", was jedoch unpräzise ist. "Der
Nießbrauch ist nur an einzelnen Wertpapieren möglich, aber nicht
pauschal am Depot", erläutert Maximilian Kleyboldt. Der Abzug des
Nießbrauchwertes bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer errechnet sich
aus dem Jahreswert und einem Kapitalisierungsfaktor, §§ 14-16 BewG. Hier
wird steuerlich ein möglichst hoher Jahreswert erstrebenswert sein, um
möglichst viel Nießbrauchwert abziehen zu können. Gedeckelt ist dieser
gem. § 16 BewG auf 1/18,6 des Kurswertes des Wertpapieres (somit auf
eine Rendite von 5,376 %).
Wertpapiere sorgfältig auswählen
Idealerweise
sollten daher sorgfältig Papiere ausgewählt und in dem Depot
zusammengestellt werden, welche möglichst nah an diesen Wert
heranreichen und langfristig im Depot verbleiben. "Es bieten sich
Anleihen mit hohem Kupon, Aktien mit hoher Dividendenrendite oder Fonds
mit hohen Ausschüttungen an", rät der FPSB-Vorstand. Der Jahreswert ist
bei schwankenden oder ungewissen Erträgen der Betrag, der in Zukunft im
Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. Für die
Steuerberechnung werden dabei meist die Jahreserträge der letzten drei
Jahre akzeptiert.
Kleyboldt erläutert es an einem konkreten
Beispiel: Bei Zuwendung unter Nießbrauchvorbehalt ist ein
bereicherungsmindernder Abzug des Kapitalwerts der wiederkehrenden
Leistung/Nutzung möglich. Ein Vater (59 Jahre) schenkt seiner Tochter
bzw. seinem Sohn Vermögenswerte unter Nießbrauchvorbehalt mit einem
Gesamtwert von 1.000.000 Euro und einem Jahresertrag von 40.000 Euro (=
4,0 %). Ohne Nießbrauchvorbehalt würde bei Berücksichtigung des noch
vollen Freibetrags 90.000 Euro Schenkungsteuer fällig. Mit
Nießbrauchvorbehalt wäre nur eine Schenkungsteuer von 8.921 Euro fällig,
das bedeutet einen Vorteil von 81.079 Euro.
Realisierung der Kapitalertragsteuer zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung
Bekanntlich
unterliegt die Realisierung von Kursgewinnen der Abgeltungsteuer, die
derzeit 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag (und gegebenenfalls
zuzüglich Kirchensteuer) beträgt. "Vor einer Übertragung der Wertpapiere
kann sich somit bei Wertpapieren mit Gewinnen anbieten, diese zu
verkaufen, um dadurch die Kapitalertragsteuer auszulösen und die
Bemessungsgrundlage für die Berechnung der (späteren) Schenkungsteuer
zusätzlich zu reduzieren", sagt Kleyboldt. Grund dafür ist, dass die
Schenkungsteuer auf Grundlage des entsprechenden Wertes der Wertpapiere
berechnet wird.
Kriterien für die Übertragung von Wertpapieren gegen Nießbrauch
Die
Form der Nießbrauchbestellung gleicht der Form für die Übertragung des
Wertpapiers, es bedarf daher (außer für GmbH-Anteile) keiner notariellen
Form, vielmehr können die Übertragung und Nießbrauchbestellung bei
Inhaberpapieren formfrei erfolgen. Kleyboldt empfiehlt, hierfür einen
Schenkungsvertrag aufzusetzen.
Die Wertpapiere müssen formal vom
Eigentümer auf den neuen Inhaber durch die depotführende Bank übertragen
werden, wobei der ursprüngliche Eigentümer ein Nießbrauchrecht behält.
Dies erfordert eine Änderung im Depot, die von der Bank durchgeführt
wird. "Die Errichtung eines separaten Depots für den Beschenkten und
insbesondere die Einrichtung von zwei separaten Verrechnungskonten ist
empfehlenswert", sagt der Experte und fügt hinzu: "Aus der Praxis ist zu
berichten, dass nicht alle Finanzdienstleister ein Wertpapiernießbrauch
technisch anbieten und umsetzen." Falls eine Bank keine zwei
Verrechnungskonten technisch einrichten kann (dass also die Erträge
automatisch weiterhin dem Beschenkten zufließen), muss eine eindeutige
und rechtlich bindende Nießbrauchvereinbarung existieren, die festlegt,
dass der ursprüngliche Eigentümer weiterhin die Erträge aus den
Wertpapieren bezieht. Diese Vereinbarung muss schriftlich fixiert und
von allen Parteien unterschrieben werden.
Steuerliche Behandlung
Und
es gibt laut Kleyboldt weitere wichtige Aspekte zu beachten: So muss
die Bank die Erträge aus den Wertpapieren dem Nießbraucher zuordnen
(Hinweis auf Erträgnisaufstellung) und entsprechend den
steuerrechtlichen Vorgaben melden. Hierbei ist darauf zu achten, dass
die Kapitalerträge korrekt beim Nießbraucher erfasst werden. Die Erträge
des Schenkers (= Nießbraucher) werden von diesem im Rahmen seiner
Steuererklärung deklariert. Die Bank erstellt i.d.R. eine
Steuerbescheinigung auf den Namen des Depotinhabers (= Eigentümer und
Depotinhaber) mit einem entsprechenden Hinweis auf den bestehenden
Nießbrauch. Eine Steuerbescheinigung auf den Namen des Nießbrauchers (=
Schenker) wird nicht erstellt. Die zu viel gezahlten Steuern werden im
Rahmen der Veranlagung des Erwerbers (= Eigentümer und Depotinhaber)
angerechnet bzw. werden erstattet. Die Erträge des Schenkers (=
Nießbraucher) werden von diesem im Rahmen seiner Steuererklärung
deklariert. Der Finanzdienstleister überwacht die Einhaltung der
Nießbrauchvereinbarung im Hinblick auf die Zuweisung der Erträge und
stellt sicher, dass alle vertraglichen Bedingungen eingehalten werden.
Zur
Optimierung der Kapitalanlage können Umschichtungen erforderlich
werden. Die steuerlichen Folgen einer Surrogation bei Nießbrauch an
Kapitalvermögen sind in der Gesetzgebung nicht abschließend rechtssicher
beschrieben und festgelegt. Es gibt die Rechtsauffassung und
Erfahrungen mit Finanzämtern aus der Praxis, wenn eine entsprechende
Surrogationsklausel im Schenkungsvertrag vorgesehen ist, sich der
Nießbrauch auch an Surrogaten (Ersatzgegenständen) fortsetzt, um
Verkäufe und Wiederanlagen mit Fortsetzung des ursprünglichen
Nießbrauches zu ermöglichen. Anderseits zeigt die Rechtsauslegung, dass
hingegen bei Umschichtungen jedes Mal wieder eine Neubestellung des
(dinglichen) Nießbrauchs am neuen Wertpapier erforderlich ist.
Kleyboldt
weist darauf hin, dass im Schenkungsvertrag nur die schuldrechtliche
Verpflichtung zur Bestellung eben dieses Nießbrauchs am Surrogat
enthalten sein kann. Hier gilt es, entsprechend steuerlichen Rat und
entsprechende Einschätzungen einzuholen. "Aus den Erfahrungen der
Praxis, gibt es wenig Anhaltspunkte, wie insbesondere nach erfolgter
Schenkung die Finanzämter mit der Wiederanlagethematik aufgrund der
zivil-, schenkung- und ertragsteuerlichen Herausforderungen umgehen bzw.
hier etwas beanstanden", berichtet der FPSB-Vorstand und empfiehlt:
"Wenn man somit u.a. eine Finanzportfolioverwaltung mit Nießbrauch
ausstatten möchte, bietet sich unproblematisch der Nießbrauchvorbehalt
alternativ an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft an."
Alternative: Nießbrauchvorbehalt an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft
Alternativ
ist die Errichtung z.B. einer vermögensverwaltende
Personengesellschaft, die Einlage eines Wertpapierdepots und die
Schenkung des Gesellschaftsanteils verbunden mit einer Übertragung unter
Nießbrauchvorbehalt vorstellbar. Sie stellt die Möglichkeit dar, trotz
Übertragung auch in der Zukunft flexibel mit den vorhandenen
Wertpapieren umzugehen. Der Nießbrauchvorbehalt wird nicht am Wertpapier
selbst bestellt, sondern am Gesellschaftsteil. Im Rahmen einer KG kann
sich der Schenker die alleinige Verfügungsmacht über das Vermögen der KG
vorbehalten. Der Anspruch des Nießbrauchers bezieht sich dann auf alle
entnahmefähigen Erträge einer vermögensverwaltenden Gesellschaft,
unabhängig davon, ob diese aus Dividenden, realisierten Kursgewinnen
oder sonstigen Einnahmen stammen. "Insbesondere hat dies den
zusätzlichen Vorteil, dass in Abhängigkeit der Ausgestaltung der
Verträge auch realisierte Wertsteigerungen dem Nießbrauch unterliegen
können und der Kapitalwert des Nießbrauchs einheitlich am gesamten
Wertpapierdepot bestimmt werden kann", erläutert Kleyboldt.
Vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten
Um
bei der Vermögensübertragung keine Fehler zu machen und alle Chancen
optimal zu nutzen, sollten sich Erblasser Unterstützung suchen.
Schließlich sind die Gestaltungsmöglichkeiten und Instrumente
vielfältig. "Es gibt keine Lösung von der Stange, die für alle
gleichermaßen gilt. So individuell die genauen Ziele, die Lebensumstände
und die Vermögenswerte des einzelnen sind, so unterschiedlich sind auch
die dafür in Frage kommenden Lösungen", sagt Kleyboldt.
Professionelle
Nachlassplaner wie die vom FPSB zertifizierten Estate Planner, die
CFEP®-Professionals, sind dabei behilflich, den eigenen persönlichen Weg
in der Vermögensnachfolgeplanung zu finden. Die Professionals verstehen
sich als Koordinatoren des Beratungsprozesses, haben insbesondere alle
finanziellen Aspekte im Blick und garantieren im Netzwerk mit anderen
Fachberatern (Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und
Notare) optimale und individuell zugeschnittene Lösungen. Anwaltliche
wie steuerliche Beratung sollte in Verbindung mit der
Nießbraucheinräumung und der Aufsetzung eines geeigneten
Schenkungsvertrages eingeholt werden. Estate Planning bedeutet
abschließend, Diskussion und Abbildung von Nachfolgegestaltungen im
Vermögenskontext.
Über den FPSB Deutschland e.V.
Das
Financial Planning Standards Board Ltd. - FPSB ist ein globales
Netzwerk mit derzeit 28 Mitgliedsländern und über 230.000
Zertifikatsträgern. Dessen Ziel ist es, den weltweiten Berufsstandard
für Financial Planning zu verbreiten und das öffentliche Vertrauen in
Financial Planner zu fördern. Das Financial Planning Standards Board
Deutschland e.V. (FPSB Deutschland) mit Sitz in Frankfurt/Main gehört
seit 1997 als Vollmitglied dieser Organisation an.
Zentrale
Aufgabe des FPSB Deutschland ist die Zertifizierung von Finanz- und
Nachfolgeplanern nach international einheitlich definierten Regeln.
Wichtige Gütesiegel sind der CERTIFIED FINANCIAL PLANNER®-Professional,
der CERTIFIED FOUNDATION AND ESTATE PLANNER, der EFPA European Financial
Advisor® EFA und der CGA® CERTIFIED GENERATIONS ADVISOR. Der FPSB
Deutschland hat ferner den Anspruch, Standards zur Methodik der
ganzheitlichen Finanzberatung zu setzen. Dafür arbeitet der FPSB
Deutschland eng mit Regulierungs- und Aufsichtsbehörden, Wissenschaft
und Forschung, Verbraucherschützern sowie Presse und interessierter
Öffentlichkeit zusammen.
Ein weiteres Anliegen des FPSB
Deutschland ist die Verbesserung der finanziellen Allgemeinbildung. Zu
diesem Zweck hat der Verband den Verbraucher-Blog www.frueher-planen.de
lanciert. Er informiert neutral, anbieterunabhängig und werbefrei über
alle relevanten finanziellen Themen und beinhaltet drei Online-Rechner
zur Berechnung der Altersrente und der Basisrente sowie zur Optimierung
der Fondsanlage.
Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.fpsb.de